Scheinleistung, Wirkleistung und Blindleistung

In der Gleichstrombetrachtung elektrischer Netzwerke ergab sich lediglich eine Wirkleistung an den Komponenten. In der Wechselstrombetrachtung elektrischer Netzwerke werden durch die resultierenden Blindströme auch Blindleistungen erzeugt. Die sich daraus ergebende Scheinleistung teilt sich auf die Wirkleistung und die Blindleistung auf. Die folgenden Grundlagen und Leistungsarten, welche durch eine Wechselspannung hervorgerufen werden, werden folgend besprochen:

Lernziele: Scheinleistung, Wirkleistung und Blindleistung

Die Studierenden

  • kennen den Unterschied zwischen der Augenblicksleistung, der Wirkleistung und der Blindleistung.
  • können die Scheinleistung bestimmen und kategorisieren.

1 Grundlagen: Additionstheorem und Arithmetischer Mittelwert

Für die Berechnung des Effektivwertes wurde bereits ein Additionstheorem vorgestellt. Ein weiteres Additionstheorem wird in der Gleichung 1 vorgestellt. Hier wird aus dem Produkt zweier Sinusfunktionen mit unterschiedlichen Argumenten ein Zusammenhang mit Summen und Differenzen in Cosinusfunktionen. Hierdurch wird das Produkt eliminiert und eine Summe zweier Cosinusfunktion erstellt. Das Integrieren der Summe lässt sich durch das Aufteilen der Summe in zwei separate Integrationvorgänge vereinfachen.

\begin {equation} \sin (x) \cdot \sin (y) = \frac {1}{2} (\cos (x-y) + cos(x+y)) \label {GleichungAdd1} \end {equation}

Mit dem arithmetische Mittelwert einer Funktion soll ein konstanter Wert errechnet werden, welcher nicht mehr zeitabhängig ist. In der Elektrotechnik soll dieser Wert in bestimmten Fällen, ähnlich wie der Effektivwert bei sinusförmigen Strom- und Spannungsverläufen, zur besseren Veranschaulichung herangezogen werden. Berechnet wird der arithmetische Mittelwert über folgende Integralformel:

\begin {equation} \overline {u(t)}=\frac {1}{T}\int _{t}^{t+T} u(t)dt \label {ArythMittel} \end {equation}

In der Formel steht \(T\) für die Periodenlänge. Hier ist \(t\) dabei ein beliebig wählbarer Zeitpunkt, ab welchem die Betrachtung starten soll (meistens \(t=0\)). Vereinfacht ausgedrückt steht im Integral die Fläche zwischen der Funktionskurve und der Abszisse und im Nenner des Bruches die Periodenlänge. Als Beispiel soll eine sogenannte Sägezahnspannung herangezogen werden, welche in der Abbildung 1 dargestellt wird.

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Abbildung 1: Verlauf einer Sägezahnspannung. Über die Sägezahnspannung wird die Ermittlung des rot gekennzeichneten Mittelwertes erläutert.

Soll der arythmetische Mittelwert errechnet werden, muss zuerst eine Funktion über eine Periode aufgestellt werden. In diesem Fall kann eine Periode folgendermaßen ausgedrückt werden:

\begin {equation} \overline {u(t)}=\frac {10~V}{T}\cdot t \end {equation}

Diesen Zusammenhang eingefügt in die Gleichung 2 und für die Integrationsgrenzen \(t=0\) bis \(T\) ergibt sich die Gleichung:

\begin {equation} \overline {u(t)}=\frac {1}{T}\int _{0}^{T} \frac {10~V}{T}\cdot t~dt \end {equation}

Wird das Integral aufgelöst erhält man den arythmetischen Mittelwert für die Sägezahnspannung:

\begin {equation} \overline {u(t)}=\frac {1}{T}\left [\frac {10~V}{T}\cdot \frac {t^2}{2}\right ]_0^T=\frac {1}{2}\cdot 10~V \end {equation}

Somit beträgt der arythmetische Mittelwert die Hälfte der maximalen Spannung. Liegt eine ideale Sinusschwingung vor, ist der arythmetische Mittelwert immer null. Relevant wird der arythmetische Mittelwert, wenn die Leistung von sinusförmigen Strömen und Spannungen errechnet werden soll.

2 Wirkleistung und Blindleistung

Wirkleistung bei Gleichstrom: In elektrischen Gleichstromnetzwerken wird die Leistung nach der bekannten Gleichung \(P=U\cdot I\) bestimmt. Bei bekanntem elektrischen Widerstand kann die Gleichung dahingehend umgestellt werden, dass nach dem ohmschen Gesetz entweder die Spannung oder der Stromeliminiert werden.

\begin {equation} P = U \cdot I = I^2 \cdot R = \frac {U^2}{R} \label {GleichungLei1} \end {equation}

In einem System mit Wechselgrößen ist die Leistung, wie auch die Größen Strom und Spannung, zeitabhängig. In der Gleichung 7 wird dies dadurch ausgedrückt, dass die Formelzeichen klein geschrieben sind und abhängig von der Zeit \(t\) sind:

\begin {equation} P = U \cdot I \quad \Leftrightarrow \quad p(t)=u(t)\cdot i(t) \label {GleichungLei2} \end {equation}

Weil die Größen der Spannung und des Stromes zeitabhängig sind, ist auch diese Funktion der Leistung zeitabhängig. Aufgrund der Zeitabhängigkeit wird auch von der Augenblicksleistung für einen Zeitpunkt t gesprochen. Die Maßeinheit der elektrischen Augenblicksleistung ist weiterhin das Watt.

\begin {equation} u(t)=\hat {U}\cdot \sin (\omega t + \varphi _\mathrm {U}) \qquad i(t)=\hat {I}\cdot \sin (\omega t + \varphi _\mathrm {I}) \label {GleichungLei3} \end {equation}

Werden die Augenblickswerte der Spannung und des Stromes in die Gleichung 7 der Augenblicksleistung eingesetzt, so ergibt sich in der folgenden Gleichung ?? die Augenblicksleistung. Hier lässt sich die Gleichung in einen Vorfaktor, einen konstanten Anteil und einen zeitabhängigen Anteil aufteilen. Der Vorfaktor besteht aus der Hälfte des Produktes der Amplitudenwerte von Spannung und Strom. Der konstante Anteil besteht aus dem ersten Cosinussummanden, hier sind lediglich die Phasenwinkel von Spannung und Strom ausschlaggebend. Der zeitabhängige Anteil wird durch den zweiten Cosinus dargestellt. Hier werden neben den Phasenwinkeln auch die Kreisfrequenz und der Zeitpunkt wichtig.

\begin {align} \text {allgemein:} \quad p(t) &= u(t) \cdot i(t) \\ \text {sinusförmig:} \quad p(t) &= \frac {\hat {U}\cdot \hat {I}}{2}(\underbrace {\cos (\varphi _\mathrm {U}-\varphi _\mathrm {I})}_\text {konstanter Anteil} + \underbrace {\cos (2\omega t +\varphi _\mathrm {U}+\varphi _\mathrm {I})}_\text {zeitabhängiger Anteil}) \label {GleichungLei4} \end {align}

Merke: Augenblicksleistung

Die Augenblicksleistung ist das Produkt aus den Aufgeblickswerten der Spannung und des Stromes.

\begin {equation} p(t)=u(t)\cdot i(t) \nonumber \end {equation}

Wird die gesamte Leistung eines Systems über einen idealen ohmschen Widerstand aufgenommen, bedeutet dies, dass die Spannung in der Strom keine Phasenverschiebung aufweisen. Der Konstante Anteil der Augenblicksleistung ist positiv. Die Augenblicksleistung pulsiert mit doppelter Frequenz im Vergleich zur Frequenz von Spannung und Strom. Dabei hat die Leistung stets ein positives Vorzeichen.

Häufig ist es nicht erheblich, wie der genaue zeitliche Verlauf der Augenblicksleistung ist. Vielmehr ist bei Anwendungen lediglich die im Mittel umgesetzte Leistung, beispielsweise Wärmeanwenungen, von Interesse. Die Mittlere Leistung der zeitveränderlichen Augenblicksleistung ist nach Gleichung 2 definiert. Für rein sinusförmige Spannungen und Ströme lässt sich eine mittlere Leistung nach Gleichung 10 bestimmen. Die Angaben der Spannung \(U\) und des Stromes \(I\) bilden die Effektivwerte. Der Winkel \(\varphi \) ergibt sich aus der Phasenverschiebung zwischen der Spannung und dem Strom. Der gesamte Ausdruck \(\bf \cos (\varphi )\) wird auch als Leistungsfaktor bezeichnet.

\begin {equation} \overline {p}_\mathrm {Sin} = P = U \cdot I \cdot \cos (\varphi ) \label {GleichungLei5} \end {equation}

Ohne die Phasenverschiebung zwischen der Spannung und dem Strom an einem ideale Widerstand ist der Term des Leistungsfaktors Vernachlässigbar. So lässt sich die mittlere Leistung in der Wechselstromtechnik bei sinusförmigen Spannungs- und Stromverläufen analog zur Gleichstromtechnik auf zwei zeitunabhängige Größen zurückführen. Der Effektivwert der Spannung und des Stromes werden für rein sinusförmige Größen zur Ermittlung der mittelren Leistung herangezogen.

\begin {equation} \overline {p}_\mathrm {Ohm} = \frac {\hat {U}}{\sqrt {2}} \cdot \frac {\hat {I}}{\sqrt {2}} = \frac {\hat {U}\cdot \hat {I}}{2} = U \cdot I \label {GleichungLei6} \end {equation}

Ähnlich verhält es sich mit der Augenblicksleistung an Spulen und Kondensatoren. An einer Induktivität eilt der Strom der Spannung um 90° nach (\(+\pi /2\)). Der Verlauf der Spannung und des Stromes an einer Induktivität wird in der Abbildung 2 dargestellt. Dazu wird in grün die Augenblicksleistung an der Induktivität dargestellt. Der Konstante Anteil der Augenblicksleistung an einer Induktivität beträgt Null. An dem Verlauf lässt sich das Pulsieren der Augenblicksspannung mit der doppelten Frequenz der Spannung bzw. des Stromes feststellen. Die positiven und negativen Halbwellen der Augenblicksleistung heben sich gegenseitig im Mittel auf. Das heißt, dass die aufgenommene Leistung wieder vollständig abgegeben wird und so von der Induktivität keine Leistung aufgenommen wird.

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Abbildung 2: Verlauf des Stromes, der Spannung und der zeitabhängigen Leistung an einer induktive Last. Die Augenblicksleistung weist die doppelte Frequenz gegenüber der Spannung bzw. des Stromes auf. Die positiven und negativen Halbwellen heben sich gegenseitig auf, die aufgenommene Leistung wird vollständig wieder abgegeben.

Beim Kondensator verhält es sich dem Prinzip nach äquivalent zur Induktivität. Hier eilt der Strom der Spannung um 90° (\(-\pi /2\)). Der konstante Anteil der Augenblicksleistung beträgt Null und die Leistung pulsiert mit doppelter Frequenz um die Nulllinie. Wie auch bei der Induktivität wird von einer Kapazität die aufgenommene Leistung wieder vollständig abgegeben, sodass im Mittel keine Leistung aufgenommen wird. Das Verhalten der zeitabhängigen Leistung an einer kapazitiven Last wird in der Abbildung 3 vorgestellt.

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Abbildung 3: Verlauf des Stromes, der Spannung und der zeitabhängigen Leistung an einer kapazitiven Last. Die Augenblicksleistung weist die doppelte Frequenz gegenüber der Spannung bzw. des Stromes auf. Die positiven und negativen Halbwellen heben sich gegenseitig auf, die aufgenommene Leistung wird vollständig wieder abgegeben.

Ist die Augenblicksleistung größer Null, wird Leistung aufgenommen. Entgegengesetzt wird Leistung abgegeben, wenn die Augenblicksleistung kleiner Null ist. Durch die nicht vorhandene Phasenverschiebung zwischen dem Strom und der Spannung am ohmschen Widerstand ist die mittlere Leistung stets größer null. Der ohmsche Widerstand nimmt also stets Leistung auf. Die Leistung wird hier als Wirkleistung \(P\) bezeichnet, welche für Anwendungen genutzt werden kann. Sie wird anhand der bereits vorgestellten Gleichung 10 für sinusförmige Spannungen und Ströme berechnet. Die beschriebenen Leistungen erklären Wirkleistungsanteile und Blindleistungsanteile. Die Blindleistung beschreibt dabei denjenigen Anteil der Leistung, welcher für die Erzeugung von elektrischen und magnetischen Feldern notwenig ist. Ist die elektrische Impedanz rein induktiv oder kapazitiv, liegt eine Phasenverschiebung von \(\pm 90^\circ \) vor. Der rein induktive oder rein kapazitive Zweipol nimmt Leistung auf, welche anschließend wieder vollständig abgegeben wird. Das dadurch resultierende Mittel der Leistung beträgt immer null. Diese Leistung wird als Blindleistung \(Q\) Bezeichnet. Es wird dabei zwischen induktiver und kapazitiver Blindleistung unterschieden. Für die induktive Blindleistung ergibt sich eine positive Phasenverschiebung für die Leistung, was genau dem Verlauf des Sinusfunktion entspricht. Die kapazitive Blindleistung wird entgegengesetzt verschoben, sodass sich ebenfall eine Sinusfunktion, jedoch mit negativem Vorzeichen definieren lässt. In den Gleichungen 12 und 13 werden die Gleichungen für die Berechnungen der induktiven und kapazitiven Blindleistung vorgestellt. Die Maßeinheit für die induktive und kapazitive Blindleistung ist das var (Volt-Ampere-reaktiv).

\begin {equation} Q_\mathrm {Ind} = U \cdot I \cos (\varphi + 90^\circ ) = U \cdot I \cdot \sin (\varphi ) \label {GleichungLei7} \end {equation}

\begin {equation} Q_\mathrm {Kap} = U \cdot I \cos (\varphi - 90^\circ ) = - U \cdot I \cdot \sin (\varphi ) \label {GleichungLei8} \end {equation}

\begin {equation} [Q] = 1\ Volt-Ampere-reaktiv = 1\ \mathrm {var} \nonumber \end {equation}

Bei idealen kapazitiven oder induktiven Widerständen wird keine Energie in Form von Wärme umgesetzt. Es ändert sich lediglich das magnetische oder elektrische Feld, so wird also Energie gespeichert oder abgegeben.

Merke: Wirkleistung und Blindleistung

In der komplexen Ebene wird die Leistung durch die Wirkleistung und die Blindleistung erklärt. Die Wirkleistung beschreibt den Realteil und die Blindleistung den Imaginärteil der komplexen Scheinleistung. Die Wirkleistung und die Blindleistung werden wie folgt definiert:

\begin {equation} P = U \cdot I \cdot \cos (\varphi ) \qquad Q = U \cdot I \cdot \sin (\varphi ) \nonumber \end {equation}

3 Scheinleistung

Bisher wurden die Grundlagen der Leistungsbetrachtung von idealen ohmschen und induktiven/kapazitiven Impedanzen betrachtet. Jedoch treten in den meisten Netzwerken sowohl ohmsche als auch induktive oder kapazitive Impedanzen auf. In solchen Netzen wird dann unterschieden zwischen Scheinleistung, Wirkleistung und Blindleistung. Die Scheinleistung steht dabei für die Gesamtleistung des Systems. Um die Scheinleistung zu berechnen, wird mit dem Maximalwert gerechnet, also wenn keine Phasenverschiebung vorliegen würde. Damit ist dieser Wert gleich der Leistung eines idealen ohmschen Widerstands:

\begin {equation} S=U\cdot I = P_\mathrm {R} \label {s} \end {equation}

Wird die Scheinleistung in der komplexen Ebene betrachtet, kommen die Festzeiger zum Einsatz. Wird die kompexe Spannung mit dem komplexen Strom multipliziert, würden nach den Regeln des kompexen rechnens die Phasenwinkel addiert werden. Um eine korrekte Leistungsberechnung durchzuführen, muss jedoch eine Differenz zwischen den Phasenwinkeln vorliegen. Um diesem Problem abhilfe zu schaffen, wird mit dem konjugierten komplex Wert des Stroms gerechnet:

\begin {align} \underline {S}&=\underline {U}\cdot \underline {I}^* \nonumber \\ mit~~~ \underline {U}&=U\cdot e^{j\varphi _\mathrm {u}} \nonumber \\ und~~~ \underline {I}^*&=I\cdot e^{-j\varphi _\mathrm {i}} \\ folgt~~~ \underline {S}&=U\cdot e^{j\varphi _\mathrm {u}} \cdot I\cdot e^{-j\varphi _\mathrm {i}}\nonumber \\ &=U\cdot I\cdot e^{j(\varphi _\mathrm {u}-\varphi _\mathrm {i})} \\ &=U\cdot I\cdot e^{j(\varphi )} \nonumber \end {align}

Über den komplexen Wert der Spannung und den konjugiert komplexen Wert des Stromes lässt sich separat die Wirkleistung und die Blindleistung oder direkt die komplexe Scheinleistung bestimmen:

\begin {equation} U \cdot I \cdot e^{j\varphi }=U\cdot I\cdot (\cos \varphi +j~\sin \varphi )=P+jQ=\underline {S} \end {equation}

Außerdem lässt sich über den Leistungsfaktor auch direkt ein Zusammenhang zwischen der Wirkleistung bzw. der Blindleistung und der Scheinleistung nach Gleichung 18 festlegen.

\begin {equation} P = \cos (\varphi ) \cdot S \qquad \qquad Q=S\cdot \sin (\varphi ) \label {GleichungSch1} \end {equation}

Merke: Komplexe Scheinleistung

Die komplexe Scheinleistung setzt sich aus der Wirkleistung und der Blindleistung zusammen. Sie kann auf verschiedene Weisen bestimmt werden:

\begin {equation} \underline {S} = \underline {U} \cdot \underline {I}^* = U \cdot I\cdot e^{j(\varphi _\mathrm {u}-\varphi _\mathrm {i})} = P + jQ \nonumber \end {equation}

Die Größen Wirkleistung und Blindleistung sind in der komplexen Zahlenebene zu finden. Dabei ist die Wirkleistung ein rein reeler Wert und die Blindleistung stellt einen rein imaginären Wert dar. Die Scheinleistung, welche auch eine komplexe Größe ist, kann als Betrag des Weges von Wirk- und Blindleistung dargestellt werden (vgl. Abbildung 4). Die hier dargestellte Scheinleistung \(S\) mit zugehörigen Phasenwinkel \(\varphi \) ist im \(I.\) Quadranten verortet. Dies wird durch einen positiven Wirkleistungsanteil und einen positiven Blindleistungsanteil verursacht. Die positive Wirkleistung deutet an, dass von etwas elektrische Leistung aufgenommen wird, also eine elektrische Last darstellt. Deswegen wird hier vom Lastbetrieb gesprochen. Die positive Blindleistung spricht für die vorherschenden Effekte einer Spule und wirkt somit induktiv. Die Scheinleistung im \(I.\) Quadranten wird im induktiven Lastbetrieb betrieben. Wirkt eine negative Wirkleistung in die Scheinleistung, wird Wirkleistung abgegeben, wie bei einem Generator, welcher Leistung abgibt. Bei einer positiven Blindleistung liegt hier ein induktiver Generatorbetrieb vor (\(II.\) Quadrant). Ist die Blindleistung negativ, überwiegen kapazitive Effekte. Bei negativer Wirkleistung wird diese Betriebsform kapazitiver Generatorbetrieb genannt (\(III.\) Quadrant). Als letztes wird im \(IV.\) Quadranten ein kapazitiver Lastbetrieb beschrieben. Hier wirkt eine positive Wirkleistung und eine negative Blindleistung in die Scheinleistung ein.

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Abbildung 4: Zeigerdiagramm der Leistung. Zusammensetzung von Blind-, Wirk- und Scheinleistung in Abhängigkeit der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung. Hier eine induktive Last im positiven Imaginärteil.

Die Blindleistung wird unter anderem benötigt, um Magnetfelder in elektrischen Maschinen zu erzeugen. Der Blindleistungsbedarf entsteht durch Komponenten im System, welche entweder induktiv oder kapazitiv wirken. Wenn der Strom zur Erzeugung des Magnetfeldes (Erregerstrom) höher ist, als es für die nominale Leistung des Generators erforderlich wäre, ist ein Generator übererregt. In diesem Fall ist der Generator in der Lage, Blindleistung in das Netz abzugeben. Die hierdurch erhöhte Blindleistung im Netz führt zu einer Spannungsanhebung. Steigt der Energiebedarf im Netz, kann diese Gegebenheit dafür genutzt werden, einem Absinken der Netzspannung entgegenzuwirken. Andersherum arbeitet ein Generator mit einem geringeren Erregerstrom als benötigt im untererregten Zustand. Der Generator nimmt hier Blindleistung aus dem Netz auf, um das erforderliche Magnetfeld aufrecht zu halten. Der Bezug von Blindleistung führt dann wiederum zu einer Spannungsabsenkung im Netz. Bei einer starken untererregung eines Generators kann es zum Ausfall der elektrischen Maschine kommen.

Die Einheiten der drei Leistungsarten sind theoretisch alle vergleichbar. Um zwischen den Leistungsarten zu unterscheiden, wurden für die Scheinleistung und die Blindleistung neue Einheiten gewählt, welche physikalisch jedoch dasselbe aussagen. Für die Scheinleistung wurde die Einheit Volt-Ampere [VA] festgelegt und für die Blindleistung Volt-Ampere-reaktiv [var]. Die Wirkleistung wird in der bekannten Einheit Watt [W] angegeben.

Tabelle 1: Zusammenfassung der Leistungsarten. Wirkleistung, Blindleistung und Scheinleistung welche durch Wechselgrößen hervorgerufen werden, aufgelistet mit den Formelzeichen und Einheiten.
Leistungsart
Einheit
Wirkleistung P W (Watt)
Blindleistung Q var (Volt-Ampere-reaktiv)
Scheinleistung S VA (Volt-Ampere)

4 Leistung und elektrische Energie

Neben der elektrischen Leistung ist auch die elektrische Energie eine genutzte Größe, um beispielsweise Verbräuche von Haushalten zu erfassen. Hier wird die elektrische Leistung pro Zeiteinheit gemessen. Nach der Definition aus der Thermodynamik ist die Energie die über einen bestimmten Zeitraum aufgebrachte Leistung. Es wird also gemäß Gleichung 20 die elektrische Leistung während einer Zeit zwischen \(t_1\) und \(t_2\) aufintegriert um die elektrische Energei zu bestimmen.

\begin {equation} E_\mathrm {el} = \int _{t_1}^{t_2} p_\mathrm {el}(t)\ \mathrm {d}t \label {GleichungEne1} \end {equation}

Vergleichbar mit der Wirkleistung und der Blindleistung lässt sich auch die Energie in eine Wirkarbeit und eine Blindarbeit unterteilen. Die Blindarbeit beschreibt dabei denjenigen Anteil der elektrischen Energie, welcher nicht in Nutzenergie, bzw. Wirkarbeit. umgewandelt wird.

\begin {equation} W_\mathrm {N} = \int _{t_1}^{t_2} p(t) \ \mathrm {d}t \qquad \qquad W_\mathrm {Q} = \int _{t_1}^{t_2} Q \ \mathrm {d}t \label {GleichungEne2} \end {equation}

Im stationären Zustand werden lediglich die Effektivwerte von Spannung und Strom und somit auch von der Scheinleistung, Wirkleistung und Blindleistung betrachtet und sind somit zeitlich konstant.

\begin {equation} W_\mathrm {N} = P \cdot (t_2 - t_1) \qquad \qquad W_\mathrm {Q} = Q \cdot (t_2 - t_1) \label {GleichungEne3} \end {equation}

Beispiel 1: Leistungsberechnung

An einer Wechselstromlast werden die folgenden Werte für die Wechselspannung und den Wechselstrom gemessen:

Gegeben sind:
\begin {equation} \hat {U} = 12\ V \qquad \hat {I} = 2A\ \nonumber \qquad \varphi = 60^\circ \ \nonumber \end {equation}

Die folgenden Aufgaben sollen bearbeitet werden:

  • Berechnung von Wirkleistung und Blindleistung.
  • Berechnung der Scheinleistung mit dem konjugierten komplexen Strom.
a)
Die Wirkleistung beträgt: \begin {align} P &= U \cdot I \cdot \cos (\varphi ) = \frac {\hat {U}}{\sqrt {2}} \cdot \frac {\hat {I}}{\sqrt {2}} \cdot \cos (\varphi ) = \frac {12\ V}{\sqrt {2}} \cdot \frac {2\ A}{\sqrt {2}} \cdot \cos (60^o) \nonumber \\ P &= 6\ W \nonumber \end {align} Die Blindleistung beträgt: \begin {align} Q &= U \cdot I \cdot \sin (\varphi ) = \frac {\hat {U}}{\sqrt {2}} \cdot \frac {\hat {I}}{\sqrt {2}} \cdot \sin (\varphi ) = \frac {12\ V}{\sqrt {2}} \cdot \frac {2\ A}{\sqrt {2}} \cdot \sin (60^o) \nonumber \\ Q &= 10,392\ var \nonumber \end {align}
b)
Die Scheinleistung beträgt: \begin {align} \underline {S} &= \underline {U} \cdot \underline {I}^* = \frac {\underline {\hat {U}}}{\sqrt {2}} \cdot \frac {\underline {\hat {I}}^*}{\sqrt {2}} = \frac {12\ V}{\sqrt {2}} \cdot e^{j(2\pi \cdot 20\ Hz)} \cdot \frac {2\ A}{\sqrt {2}} \cdot e^{j(2\pi \cdot 20\ Hz+\frac {\pi }{3})} \nonumber \\ \underline {S} &= 12\ VA \cdot e^{j\frac {\pi }{3}} = 6\ W + j10,392\ var \nonumber \end {align}

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