Einleitung

Elektrische Netzwerke sind in der heutigen Welt omnipräsent. Sie bestehen aus Zusammenschaltungen von verschiedenen elektrischen Bauteilen, welche durch Verbindungsleitungen miteinander verknüpft sind. In der Realität kommen sie in den verschiedensten Funktionen und Größenordnungen vor. So kann ein elektrisches Netzwerk sowohl eine kleine elektronische Schaltung innerhalb eines Mikrocontrolers mit einer Größe von einigen Mikrometern darstellen, als auch ein elektrisches Energieverteilungsnetz mit Ausdehnungen von bis zu einigen 1000 Kilometern abbilden, wie sie symbolisch in den Abbildungen 1 bzw. 2 angedeutet sind.

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Abbildung 1: Symbolbild eines kleinen elektrischen Netzwerkes auf einer Platine

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Abbildung 2: Symbolbild eines großen elektrischen Netzwerkes

Dieses Kapitel bietet eine Einführung zu grundlegenden Berechnungen in elektrischen Gleichstromnetzwerken. Ziel dieser Berechnung ist es in der Regel, die Spannungen und Ströme in allen Bauteilen des Netzwerkes zu berechnen. Reale Bauteile werden dazu in der Regel vereinfacht als Kombination idealer Zweipole dargestellt (Beispiele: Tabelle 1). Aus der Verschaltung dieser Zweipole lässt sich ein vereinfachtes Modell der realen Schaltung aufbauen, welches das grundlegende Verhalten der Schaltung nachbildet. Dieses Modell bildet die Grundlage zur mathematischen Berechnung der Schaltung.

Da in diesem Kapitel ausschließlich lineare Bauteile wie Widerstände oder ideale Gleichspannungsquellen verwendet werden, ist eine analytische Berechnung grundsätzlich immer möglich. In fortgeschrittenen Modulen werden hingegen nichtlineare Bauelemente wie reale Operationsverstärker oder Dioden eingeführt. In diesem Fall ist oft eine iterative bzw. numerische Herangehensweise notwendig.

Zweipole und Zählpfeilsysteme

 

Lernziele: Zweipole und Zählpfeilsysteme

Die Studierenden können

  • den Begriff des Zweipols erläutern sowie gängige Zweipole nennen und deren Schaltsymbole verwenden
  • das Erzeuger- sowie Verbraucherzählpfeilsystem erläutern und entsprechend der Konventionen anwenden
  • die zentralen Elemente des Grundstromkreises erläutern und die Zusammenhänge zwischen diesen erkennen

1 Zweipole

Als Zweipol (Abb. 1) wird ein Bauelement mit zwei äußeren Anschlussklemmen bezeichnet. Der innere Aufbau dieser Zweipole kann dabei von gänzlich unterschiedlicher Art und Komplexität sein. Beispielsweise ist ein einfacher elektrischer Widerstand, aber auch eine Spannungsquelle (beispielsweise eine Autobatterie) oder ein Haartrockner (sofern dieser nur zwei Anschlussleitungen besitzt) als Zweipol zu sehen. Bauteile mit mehr Anschlussleitungen werden entsprechend als Dreipol (z.B. Kühlschrank mit Schutzleiter), Vierpol (z.B. Transformator) oder gar Fünfpol (elektrischer Herd mit Drehstromanschluss, Schutzleiter und Neutralleiter) bezeichnet.

Unabhängig von der inneren Komplexität kann ein Zweipol im elektrischen Netzwerk vollständig durch die Beziehung von Strom und Spannung an seinen Anschlusspunkten, dem sogenannten Klemmenverhalten, charakterisiert werden. Zu beachten ist dabei, dass der in Abbildung 1 eingezeichnete Strom \(I_1\) eines Zweipols stets genauso groß wie der Strom \(I_2\) ist.

Die praktische Realisierung der Bauteile wie reale Baumaße, Materialeigenschaften, parasitäre Effekte oder interne inhomogene Feldstärkeverteilungen werden in der Netzwerkberechnung mit Zweipolen vernachlässigt.

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Abbildung 1: Allgemeine Darstellung eines Zweipols mit den gleich großen Stromstärken \(I_1\) und \(I_2\) sowie der anliegender Spannung \(U\)

Einige der bereits aus vorherigen Kapiteln bekannte Zweipole sind in Tabelle 1 beispielhaft aufgeführt.

Zweipol Schaltzeichen
ideale Spannungsquelle PIC
ideale Stromquelle PIC
Kondensator (Kapazität) PIC
ohmscher Widerstand PIC
Spule (Induktivität) PIC
Tabelle 1: Beispiele verschiedener Zweipole sowie ihrer Schaltzeichen

2 Zählpfeilsysteme

Die Wahl der Zählrichtungen von Strom und Spannung ist grundsätzlich beliebig. Bei der Berechnung elektrischer Netzwerke wird häufig versucht, die Zählrichtungen so einzuführen, dass die Ströme und Spannungen positiv sind. Das ist für von vornherein bekannte Größen durchaus sinnvoll. Für unbekannte Größen muss die Zählrichtung hingegen willkürlich festgelegt werden. Es wird dadurch nicht ausgedrückt, dass der Strom tatsächlich in der Pfeilrichtung fließt bzw. eine positive Spannung in Pfeilrichtung anliegt. Die tatsächliche Richtung wird dann durch das Vorzeichen der Spannung ausgedrückt. Für eine vorzeichengerechte Beschreibung von Strömen und Spannungen ist also eine Bemaßung mit Zählpfeilen zwingend notwendig.

Bei Zweipolen wird zwischen den in Tabelle 2 vorgestellten zwei unterschiedlichen Zählpfeilsystemen unterschieden:

Merke: Verbraucher- und Erzeugerzählpfeilsysteme

Verbraucher-Zählpfeilsytem (VPS): Strom und Spannung werden am Zweipol gleichsinnig gezählt. Anzuwenden bei passiven Zweipolen (z.B. Widerständen)

Erzeuger-Zählpfeilsystem (EPS): Strom und Spannung werden am Zweipol entgegengesetzt gezählt. Anzuwendn bei aktiven Zweipolen (z.B. Spannungsquellen)

Zählpfeilsystem Erzeugte Leistung Verbrauchte Leistung Zählpfeile am Verbraucher
VPS P = -UI P = UI ¿ 0 PIC
EPS P = UI ¿ 0 P = -UI PIC
Tabelle 2: Vergleich zwischen Verbraucherzählpfeilsystem (VPS) und Erzeugerzählpfeilsystem (EPS).

Merke: Zählpfeile

Zählpfeile dienen der Zählweise und sind nicht mit Vektoren zu verwechseln!

3 Der Grundstromkreis

Die zuvor eingeführten Zweipole (oder auch Mehrpole) lassen sich zu einem elektrischen Netzwerk zusammenschließen.

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Abbildung 2: Der elektrische Grundstromkreis mit eingezeichneten Zweigen, Knoten und Maschen

Dabei bilden die idealisierten Zweipole Zweige, die wie in Abb. 2 auch aus mehreren direkt hintereinandergeschalteten Zweipolen bestehen können. Durch alle Elemente eines Zweiges fließt der gleiche Strom. Neben dem in Abbildung 2 grün markierten Zweig bilden auch die Zweipolgruppe \(R_1\), \(R_2\) und \(U_0\) sowie der Kurzschluss in der der Zeichnung jeweils einen weiteren Zweig.

Die Verbindungspunkte, an denen sich jeweils mindestens drei Zweige treffen, werden als Knoten oder Knotenpunkte bezeichnet. Ein fließender elektrischer Strom kann sich hier auf die verschiedenen Zweige aufteilen. Das elektrische Potential ist jedoch für alle verbundenen Anschlüsse identisch. Ein Knoten wird im Schaltplan durch einen ausgefüllten Kreis gekennzeichnet und mit \(K_n\) genannt. Geschlossene Pfade von mindestens zwei sich aneinanderreihenden Zweigen innerhalb eines Netzwerkes werden Maschen genannt und mit \(M_n\) abgekürzt. Im Schaltplan wird neben der Bezeichnung der Masche häufig auch eine Umlaufrichtung mit einem Pfeil angedeutet, der die Umlaufrichtung der Masche angibt. Im hier gezeichneten Grundstromkreis lassen sich neben der eingezeichneten Masche \(M_1\) bestehend aus \(R_1\), \(R_2\), \(U_0\) und dem Kurzschluss zwischen den Knoten \(K_1\) und \(K_2\) zwei weitere Maschen finden: Der grün eingezeichnete Zweig zusammen mit dem Kurzschluss zwischen \(K_1\) und \(K_2\) bilden eine Masche \(M_2\). Eine weitere Masche \(M_3\) außen herum führt außen um die Schaltung herum und enthält alle eingezeichneten Zweipole, nicht jedoch den Kurzschluss zwischen \(K_1\) und \(K_2\).

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