1 Elektromagnetismus
Ein magnetisches Feld kann, außer durch einen Permanentmagneten, auch durch einen elektrischen Strom erzeugt werden. Dabei ergibt sich ein kreisförmiges magnetisches Feld um den stromdurchflossenen Leiter. Die Richtung des Feldes kann mit der „Rechten-Hand-Regel“ ermittelt werden: Bei einer zur Faust geformten Hand mit gestrecktem Daumen zeigt der Daumen in Richtung des (technischen) elektrischen Stromflusses (der „technische Stromfluss“ verläuft vom Plus- zum Minuspol) und die Finger in Richtung des magnetischen Feldlinienverlaufs.
Merke: Rechte-Hand-Regel
Zeigt der Daumen der rechten Hand in Richtung des (technischen) elektrischen Stromflusses, so zeigen die restlichen gebeugten Finger die Verlaufsrichtung der magnetischen Feldlinien an.
2 Durchflutung
Die durch elektrische Ströme hervorgerufenen Magnetfelder werden mit der Kenngröße der magnetischen Durchflutung \(\varTheta \) (Theta) gemessen. Analog zur elektrischen Spannung wird die Durchflutung auch als magnetische Spannung bezeichnet. Da die Durchflutung aus dem Strom resultiert, hat sie wie der Strom die Einheit Ampere.
Der Name ist auf das Durchflutungsgesetz zurückzuführen. Dieses besagt, dass die magnetische Durchflutung \(\varTheta \) gleich dem Gesamtstrom \(I\) einer von ihm durchfluteten Fläche ist (siehe Abbildung 2). Die Gleichnung 1 gibt das Durchflutungsgesetz in der allgemeinen Form wieder. Die rechte Seite bezeichnet das Flächenintegral der Stromdichte \(\vec {J}\). Dieses Integral drückt die Summe des Stromes aus, der durch die Fläche \(A\) fließt. Die linke Seite der Gleichung stellt das geschlossene Linienintegral über die magnetische Feldstärke \(\vec {H}\) dar. Diese geschlossene Linie \(\d \vec {s}\) entspricht dabei dem Rand der Fläche \(A\).
\begin {equation} \varTheta = \oint \limits _s \vec {H}\cdot \d \vec {s} = \iint \limits _A \vec {J}\,\d \vec {A}\label {Durchflutung} \end {equation}
Da in den allermeisten Fällen der Strom durch einen Leiter transportiert wird und folglich die Richtung des Stromes als auch die Stromstärke eindeutig bekannt sind, genügt es in diesem Fall, das Integral (wie in der Gleichung 2 dargestellt) durch die Anzahl der stromführenden Leiter \(N\) multipliziert mit der Stromstärke \(I\) zu ersetzen.
\begin {equation} \varTheta = \oint \limits _s \vec {H}\cdot \d \vec {s} = N\cdot I\label {Durchflutungsgesetz} \qquad [\mathrm {A}] \end {equation}
Merke: Magnetische Durchflutung
Die magnetische Durchflutung \(\varTheta \) entspricht dem Gesamtstrom einer von ihm durchfluteten Fläche.
Ist die magnetische Feldstärke über dem Integrationsweg \(\d \vec {s}\) konstant, kann der Vektor \(\vec {H}\) vor das Integral gezogen werden. Diese Bedingung ist in der Regel erfüllt, wenn sich die Feldlinie über dem ganzen Integrationsweg im gleichen Material befindet. Ein Beispiel wäre ein kreisförmiges Feld um einen Leiter im Kreismittelpunkt oder eine Ringkernspule, wie in Abbildung 3 gezeigt. In dem Fall wird das Integral \(\oint \vec {H}\cdot \,\d \vec {s}\) zur Länge des Integrationsweges (Gleichung ??). Diese Länge wird mittlere Feldlinienlänge genannt und mit \(\ell _{\mathrm {m}}\) bezeichnet. Sie steht für den Mittelwert der Summe aller Feldlinien, die sich innerhalb des kreisförmigen Feldes befinden. Die magnetische Feldstärke kann in solchen Anordnungen einfach mit der Gleichung ?? ermittelt werden.
\begin {align} \varTheta &= \oint \limits _s \vec {H}\cdot \d \vec {s} = |\vec {H}| \cdot \ell _{\mathrm {m}}\label {GlmagnFeldstaerke}\\ |\vec {H}| &=\frac {\varTheta }{\ell _{\mathrm {m}}}\qquad \left [\frac {\mathrm {A}}{\mathrm {m}}\right ]\label {GlmagnFeldstaerke1} \end {align}
Merke: Berechnungshilfe magnetische Feldstärke
Ist die magnetische Feldstärke über den ganzen Weg konstant, kann sie durch den Quotienten von Durchflutung \(\varTheta \) und Weglänge \(\ell _{\mathrm {m}}\) berechnet werden. Ihre Einheit ist Ampere pro Meter.
Beispiel 1: Magnetische Feldstärke über die mittlere Feldlinienlänge
Eine Ringspule (Abbildung 3) mit \(1000\) Windungen und einer mittleren Feldlinienlänge von \(50\,\mathrm {cm}\) wird von einer Stromstärke von \(100\,\mathrm {mA}\) durchflossen. Wie groß ist die magnetische Feldstärke?\begin {align} \onslide <2->\varTheta &= H \cdot \ell _{\mathrm {m}} = N\cdot I\nonumber \\ \onslide <3->H&=\frac {N\cdot I}{\ell _{\mathrm {m}}} \onslide <4->=\frac {1000\cdot 0,1\,\mathrm {A}}{0,5\,\mathrm {m}} = 200\,\tfrac {\mathrm {A}}{\mathrm {m}}\nonumber \onslide <1-> \end {align}
Beispiel 2: Magnetische Feldstärke über den Kreisumfang
Ein gerader Leiter wird mit einem Strom von \(I=50\,\mathrm {A}\) durchflossen. Wie groß ist die magnetische Feldstärke in einem Abstand von \(r=20\,\mathrm {cm}\)? \begin {equation*} \onslide <6->H=\frac {N\cdot I}{\ell _{\mathrm {m}}} \onslide <7->=\frac {1\cdot 50\,\mathrm {A}}{2\pi \cdot 0,2\,\mathrm {m}} = 39,79\,\tfrac {\mathrm {A}}{\mathrm {m}} \end {equation*} Die mittlere Feldlinienlänge \(\ell _{\mathrm {m}}\) kann durch den Kreisumfang ermittelt werden und wird deshalb mit der Formel zur Berechnung des Kreisumfangs \(2\pi \cdot r\) ersetzt.
3 Magnetischer Fluss und Flussdichte
Der magnetische Fluss ist analog zum elektrischen Kreis mit dem Strom vergleichbar. Entgegen der Terminologie findet jedoch kein Fluss von magnetischen Teilchen statt, sondern er ist sinnbildlich als „die Menge an Magnetfeld“ zu verstehen und wirkt in Folge der magnetischen Spannung. Das Formelzeichen des magnetischen Flusses ist \(\varPhi \), die Einheit ist Weber (Wb). Ein Weber (Wb) ist gleichbedeutend mit einer Volt-Sekunde (Vs).
Die Kraftwirkung eines Magneten ist abgesehen vom magnetischen Fluss auch von der durchfluteten Fläche abhängig. Je dichter die Feldlinien konzentriert sind, desto größer ist die magnetische Wirkung. Das wird durch die magnetische Flussdichte \(B\) beschrieben, die im einfachsten Fall (nicht gekrümmte Fläche, homogene Flussdichte) durch den Quotienten aus dem magnetischen Fluss \(\varPhi \) und der Fläche \(A\) definiert ist. Die Einheit der Flussdichte ist Tesla (T). Die Richung der Flussdichte \(\vec {B}\) ist senkrecht zur Fläche, was durch den Normalenvektor zur Fläche \(\vec {A}\) ausgedrückt wird.
\begin {equation} \vec {B} = \frac {\varPhi }{\vec {A}}\qquad [\mathrm {T}] \end {equation}
Im allgemeinen Fall (ohne die oben genannten Einschränkungen) gilt:
\begin {equation} \varPhi = \iint \limits _A \vec {B}\cdot \mathrm {d}\vec {A} \label {magnFlussFormel} \end {equation}
Merke: Magnetische Flussdichte
Die magnetische Flussdichte \(\vec {B}\) beschreibt die Konzentration des magnetischen Flusses \(\varPhi \) senkrecht auf einer Fläche \(A\).
Sowohl die magnetische Feldstärke als auch die magnetische Flussdichte sind vektorielle Größen. Sie lassen sich daher grafisch durch Feldlinien zeichnen. Der magnetische Fluss \(\varPhi \) ist dagegen eine skalare Größe.
Die magnetische Flussdichte \(\vec {B}\) und die magnetische Feldstärke \(\vec {H}\) sind über die Permeabilität \(\mu \) verbunden. Die Permeabilität besteht aus dem Produkt einer materialunabhängigen Kenngröße, der magnetischen Feldkonstanten \(\mu _0=1,256\,637\,062\cdot 10^{-6}\,\frac {\mathrm {Vs}}{\mathrm {Am}}\), und einer materialspezifischen Permeabilität \(\mu _{\mathrm {r}}\). Die magnetische Feldkonstante beschreibt die Permeabilität im Vakuum und war bis zur Neuordnung der SI-Einheiten im Jahr 2019 mit dem Wert \(\mu _0 = 4\pi \cdot 10^{-7}\,\frac {\mathrm {Vs}}{\mathrm {Am}}\) genau definiert. Jetzt ist sie mit einer Messunsicherheit behaftet.
Material | Permeabilitätszahl \(\mu _{\mathrm {r}}\) |
Wasser | \(1 - 9,1 \cdot 10^{-6}\) |
Kupfer | \(1 - 6,4 \cdot 10^{-6}\) |
Luft | \(1 + 4 \cdot 10^{-7}\) |
Aluminium | \(1 - 2,2 \cdot 10^{-5}\) |
Eisen | \(300\) bis \(140000\) |
\begin {equation} \vec {B} = \mu _0\cdot \mu _{\mathrm {r}}\cdot \vec {H}\label {GlFlussdichte} \end {equation} In einem ferromagnetischen Material verläuft der Zusammenhang zwischen der magnetischen Feldstärke \(\vec {H}\) und der magnetischen Flussdichte \(\vec {B}\) nicht linear. Die Permeabilität geht mit steigender Magnetisierung in Sättigung, sodass die relative Permeabilität \(\mu _{\mathrm {r}}\) von einem materialabhängigen Anfangswert gegen 1 läuft. Wird das magnetische Feld wieder reduziert (oder auf Null gesetzt), bleibt die Magnetisierung in einem gewissen Maße erhalten (Punkt \(B_{\mathrm {r}}\) in Abbildung 4). Dieser Vorgang wird Remanenz genannt. Die verbleibende magnetische Flussdichte bei einer magnetischen Feldstärke von Null ist die Remanenzflussdichte \(B_{\mathrm {r}}\). Um den Stoff wieder komplett zu untmagnetisieren, wird eine umgekehrte magnetische Feldstärke, die Koerzitivfeldstärke \(H_{\mathrm {c}}\), benötigt.
Anhand der Koerzitivfeldstärke werden ferromagnetische Materialien in hart- und weichmagnetische Materialien unterschieden. Hartmagnetische Werkstoffe (z. B. starke Dauermagnete aus Neodym-Eisen-Bor) verfügen dabei über einen Wert für \(H_{\mathrm {c}}\) größer als \(10\cdot 10^{3}\,\frac {\mathrm {A}}{\mathrm {m}}\), bei weichmagentischen Werkstoffen (z. B. Magnetkerne aus Mangan-Zink-Ferrit) liegt \(H_{\mathrm {c}}\) bei kleiner als \(500\,\frac {\mathrm {A}}{\mathrm {m}}\). Hartmagnetische Werkstoffe werden hauptsächlich für Permanentmagnete eingesetzt.
Beispiel 3: Magnetische Flussdichte
Im Inneren einer dicht gewickelten Ringspule soll die magnetische Feldstärke \(H=100\,\frac {\mathrm {A}}{\mathrm {m}}\) erzeugt werden. Die Spule hat einen mittleren Radius von \(5\,\mathrm {cm}\).
- 1.
- Berechnen Sie die erforderliche Stromstärke \(I\) wenn die Spule mit \(N=200\) Wicklungen versehen
ist.
Aus Gleichung 2 und ??: \begin {align*} \varTheta & = H \cdot \ell _{\mathrm {m}} = N\cdot I \\ I & =\frac {H\cdot \ell _{\mathrm {m}}}{N}=\frac {100\,\frac {\mathrm {A}}{\mathrm {m}}\cdot 2\cdot \pi \cdot 5\cdot 10^{-2}\,\mathrm {m}}{200} = 157,08\,\mathrm {mA} \end {align*}
- 2.
- Wie groß wird die Flussdichte \(B\) im Falle einer Luftspule (\(\mu _{\mathrm {r}}=1\)) oder einer eisengefüllten Spule (\(\mu _{\mathrm {r}}=2000\) im
Arbeitspunkt)?
Aus Gleichung 5: \begin {align*} B_\mathrm {Luft} & = \mu _0\cdot \mu _{\mathrm {r}}\cdot H = 1,256\cdot 10^{-6}\,\tfrac {\mathrm {Vs}}{\mathrm {Am}} \cdot 100\,\tfrac {\mathrm {A}}{\mathrm {m}} = 125,6\,\mu \mathrm {T} \\ B_\mathrm {Eisen} & = 2000\cdot B_\mathrm {Luft} = 251,2\,\mathrm {mT} \end {align*}
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